Krise und Insolvenz der Scheinauslandsgesellschaft
von Simon DrobnikAuf Grundlage der Niederlassungsfreiheit können nach dem Recht eines EU/EWR-Staates gegründete Gesellschaften ihren Verwaltungssitz innerhalb der Union frei wählen – und ihn auch in einen anderen Staat verlegen (»Scheinauslandsgesellschaften«). Das eröffnet Gestaltungsspielräume für Unternehmen, die nun nicht mehr auf das »Angebot« an Rechtsformen ihres Herkunftsstaats beschränkt sind.
Die rechtliche Einordnung solcher Scheinauslandsgesellschaften ist nach wie vor nicht vollständig geklärt. Sie wird besonders virulent, wenn Scheinauslandsgesellschaften in eine finanzielle Krise oder gar in eine Insolvenz schlittern. Hier stellt sich die Frage, ob österreichische Gläubigerschutznormen (zB das EKEG) auf Scheinauslandsgesellschaften anwendbar sind.
Das Problem hat dabei vor allem eine unionsrechtliche und eine kollisionsrechtliche Dimension. Aus unionsrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich Scheinauslandsgesellschaften auf die Niederlassungsfreiheit berufen können, und welchen Gewährleistungsgehalt die Niederlassungsfreiheit hier hat: Ist die Scheinauslandsgesellschaft aufgrund der Niederlassungsfreiheit davor geschützt, dass der Zuzugsstaat sein eigenes Gesellschaftsrecht auf sie anwendet? Auf der kollisionsrechtlichen Ebene interessiert, wo die Grenze zwischen Gesellschafts-, Insolvenz- und Deliktsstatut verläuft. Die richtige Einordnung ist entscheidend dafür, ob österreichisches oder ausländisches Recht zu Anwendung kommt.