Vorrang der Verfassung und konstitutionelle Monarchie.
Eine dogmengeschichtliche Untersuchung zum Problem der Normenhierarchie in den deutschen Staatsordnungen im frühen und mittleren 19. Jahrhundert (1818-1866).
von Christian Hermann SchmidtDer Grundsatz des Vorrangs der Verfassung und hier insbesondere die Verfassungsbindung des Gesetzgebers stellen - so selbstverständlich uns diese Prinzipien heute auch erscheinen mögen - höchst komplexe und in ihren politischen und rechtlichen Voraussetzungen vielschichtige Rechtsfiguren dar, die sich in Deutschland vollständig erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts durchsetzen konnten. Noch die maßgebliche Kommentierung von Gerhard Anschütz zur Weimarer Reichsverfassung hielt an dem Satz fest, daß die Verfassung nicht über der Legislative, sondern »zur Disposition derselben« stehe. Auch gilt als gesichert, daß im Deutschen Reich nach 1871 ein Vorrang der Verfassung nicht anerkannt war. Welche Grundüberzeugungen dagegen die Zeit des deutschen Frühkonstitutionalismus prägten, erscheint bislang als nicht sicher beantwortet. Die Untersuchung Schmidts will diese Lücke schließen. Es zeigt sich hier zum einen, daß ein deutlich ausgeformter hierarchischer Vorrang in der Struktur der Verfassungen nicht angelegt war und daß sich auch eine überwiegende Mehrheit im Schrifttum und unter den Richtern zu einer klaren Anerkennung des Vorrangprinzips nicht durchringen konnte. Zum anderen wird aber auch deutlich, daß es durchaus Ansätze zu normhierarchisch konsequenten Lösungen gab - sowohl im positiven Verfassungsrecht selbst als auch in der Literatur und in der Praxis der Gerichte.