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ISBN/EAN-Barcode 3-95490-257-5/9783954902576
Buchcover ISBN 9783954902576

Die jungen Kosmopoliten

Prozesse von Aneignung und Abgrenzung in der zeitgenössischen türkischen Literatur

von Katharina Müller


Junge türkische Autoren stellen Grenzen in Frage. Grenzen zwischen Nationen, zwischen Menschen, zwischen Zeiten. Ihre Texte reflektieren ein neues, von Widersprüchen geprägtes Lebensgefühl, doch statt diese Widersprüche auflösen zu wollen, sich aufs Eigene zurückzuziehen und die Grenzen zum Anderen höher zu ziehen, lernen und lehren sie diese Widersprüche auszuhalten, stehenzulassen.


Nicht zuletzt dies rechtfertigt die Bezeichnung der „jungen Kosmopoliten“, betont doch der Soziologe Ulrich Beck, Kosmopolitismus ignoriere das Prinzip des Entweder-Oder und verkörpere das Sowohl-als-auch-Denken. Gerade dieses Sowohl-als-auch-Denken ist zum bestimmenden Prinzip der Werke zeitgenössischer türkischer Autoren geworden. Seine Umsetzung beinhalte Merkmale kosmopolitischer Literatur wie Mehrdeutigkeit, Gleichzeitigkeit, Polyperspektivität, Ambiguität in Bezug auf literarische Räume und Figuren, gleichermaßen lokal wie global verortbare Thematiken und die Abbildung der Dialektik des Konflikts zwischen dem Kosmopolitischen und seinen Gegnern. All dies lässt sich exemplarisch auch an den hier analysierten Texten festmachen. Diese sind im Einzelnen: Die Erzählung Yitik Gözün Boşluğunda (In der Leere des verlorenen Auges, dt. Der wundersame Mandarin, 1996) sowie der Roman Kırmızı Pelerinli Kent (Die Stadt mit der roten Pelerine, dt. Die Stadt mit der roten Pelerine, 1998) von Aslı Erdoğan; die Romane The Saint of Incipient Insanities (dt. Die Heilige des nahenden Irrsinns, 2004) und İskender (İskender, dt. Ehre, 2011) von Elif Şafak; Esmahan Aykols Roman Savrulanlar (Die Verstreuten, dt. Goodbye Istanbul, 2006) sowie Hakan Gündays Roman Az (Wenig, dt. Extrem, 2011).


Zeitgenössische türkische Autoren schaffen hier eine Literatur, die sich nicht instrumentalisieren lässt, die nicht länger im Dienst einer Nation steht, sondern eine neue Sicht auf jene regionale wie globale Welt erproben, zu der auch die Türkei heute gehört. Während aktuell die politische Situation in der Türkei schwierig bleibt, sich Bevölkerungsgruppen wieder feindlich gegenüberstehen und das Land einmal mehr an seinen inneren Spannungen zu scheitern droht, sind seine Literaten damit gefragter denn je. Ihre Stimmen, ihre Texte zeigen ein anderes Bild, eine andere Option der türkischen Gesellschaft. In diesem Sinne will die vorliegende Arbeit nicht nur die gerade im deutschsprachigen Raum nach wie vor überschaubare Forschung zur zeitgenössischen türkischen Literatur erweitern, sondern auch herausstellen, dass hier Literatur Vielfalt zelebriert und bewusst die unzähligen Nuancen der so heterogenen türkischen Gesellschaft reflektiert, wo Politik eher Ressentiments schürt und die Grenzen höher zieht.


Young authors from Turkey question boundaries, they are challenging borders between nations, between humans, between times. Their works reflect a new zeitgeist which is often shaped by contradictions, but instead of trying to dissolve these contradictions, withdrawing to one's own and raising the boundaries to the other, they learn and teach to endure these contradictions, to let them stand.


This justifies the designation of these Turkish authors as „young cosmopolitans“, considering that sociologist Ulrich Beck emphasizes the fact that cosmopolitanism ignores the principle of the either-or and embodies an as-well-as-thinking. It is precisely this as-well-as-thinking that has become the determining principle of the works of contemporary Turkish authors. Its implementation includes features of cosmopolitan literature such as ambiguity, simultaneity, polyperspectivity, ambiguity in terms of literary spaces and figures, as well as locally and globally identifiable themes and the depiction of the dialectics of the conflict between the cosmopolitan and its opponents. All this can be exemplified by the following works analyzed here: Yitik Gözün Boşluğunda (In the Void of the Lost Eye, 1996) and Kırmızı Pelerinli Kent (The City with the Red Pelerine, 1998 ) by Aslı Erdoğan; The Saint of Incipient Insanities (2004) and İskender (İskender, 2011) by Elif Şafak; Esmahan Aykol's novel Savrulanlar (The Scattered, 2006) and Hakan Günday's novel Az (Little, 2011).


These contemporary Turkish authors create a literature that cannot be easily instrumentalized, that is no longer in the service of a nation, but promotes a new view on an equally regional and global world, which includes today’s Turkey. While the political situation in Turkey remains difficult and the country is once again challenged by inner tensions and hostile oppositions, these writers and their works are of utmost importance. Their voices, their texts show a different picture, another option of Turkish society. In this sense, this thesis not only wants to broaden the current research on contemporary Turkish literature, especially in German-speaking countries, but also emphasizes that literature celebrates diversity and deliberately reflects the countless nuances of an actually very heterogeneous Turkish society, while politics fuel resentments and push the boundaries higher.

ISBN-Daten

Hardcover
232 Seiten
Verlag
Reichert, L
Erscheinungsjahr
2019
Abmessungen
24,0 x 17,0
Reihe
Literaturen im Kontext. Arabisch – Persisch – Türkisch 44
Preis
69,00 €

Verfügbarkeit

Verfügbarkeit auf
www.ISBN.de
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