Werner Nerlich - Ein Potsdamer Künstlerleben
Hätte ich immer nur malen können...
Werner Nerlich war in der Nachkriegszeit eine der einflussreichsten Persönlichkeiten im Kulturleben der Stadt Potsdam. 1970 ist er zum Ehrenbürger der Stadt ernannt worden. Trotzdem fehlt bisher eine angemessene und umfassende Würdigung seines Werdegangs und Schaffens.
Deshalb hat sich die Künstlerin Dorothea Nerlich, seine Frau, entschlossen – gestützt auf reichhaltiges und eindrucksvolles Material aus dem Nachlass ihres Mannes und das Familienarchiv – seine Biografie zu schreiben. Sie tut das mit der ihr eigenen einfühlsamen Empathie und Eindringlichkeit und wahrt dabei trotzdem die gebotene Zurückhaltung und Distanz der um Objektivität bemühten Berichterstatterin.
Entstanden ist das eindrucksvolle und seltene Bild eines zutiefst authentischen und gradlinigen Zeugens des 20. Jahrhunderts, der nicht zuletzt durch sein Erleben des Zweiten Weltkriegs in seiner Weltanschauung geprägt und gefestigt wurde. Sicher stehen viele seiner Erlebnisse und die darauf fußenden Überzeugungen in starkem Gegensatz zu den erlittenen und berichteten Kriegserfahrungen einer großen Mehrheit. Auch mein Vater ist an der Ostfront umgekommen. Trotzdem sind die Tagebuchaufzeichnungen von Werner Nerlich das stärkste und beeindruckendste Zeugnis eines deutschen Kriegsteilnehmers gegen den Faschismus und für Frieden, die ich je gelesen habe.
Die Gradlinigkeit und Folgerichtigkeit seiner Entscheidungen und Überzeugungen beeindrucken und nötigen tiefen Respekt ab. Und es war ein Glück, dass dieser Mann sich in Brandenburg für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt hat. Für den Kulturbund war es ein Geschenk, dass er bald den Weg zurück zur Kultur und zur kulturellen Bildung gefunden hat. Denn das war – angefangen von seiner Ausbildung – seine eigentliche Berufung. Die Gründung der Fachschulen in Potsdam und Berlin waren Meilensteine für die Kultur, die noch heute nachwirken. Kulturbund und VBK waren weitere Lebensstationen auf diesem Weg.
Letztlich aber ist er ein begnadeter Künstler gewesen, der an seinem Lebensabend noch einmal zu seinem großen malerischen Schaffen fand. Gerade die Bilder aus seiner letzten Schaffensperiode zeigen, dass er mit seinem Lebenswerk in Einklang stand.
Hinrich Enderlein (Vorsitzender des Brandenburgischen Kulturbunds und ehemaliger Brandenburgischer Kulturminister) 2023