"Petting statt Pershing"
Papis Pioniere im Kalten Krieg
von Thomas Dr. MüllerFolgende Situation: Sie befinden sich in einer „Hugendubel“-, „thalia“- oder „weltbild“-Filiale. Gerne auch im örtlichen Hof-Buchladen mit regionalen Autoren im Angebot. Vor Ihnen steht der Tisch mit den aktuellen Neuerscheinungen, zum Beispiel „Veganes Fresschen für den woken Hund“, „Tyrannosaurus Rex. Aufzucht, Pflege, Deeskalationsstrategien“ oder „Traditionelle Teppichknüpfvariationen west-afghanischer KrimiautorI:_*nnen“. Dazwischen zwei weitere Sachbücher: „Die Einbindung und Rolle der Pioniere der Bundeswehr in die Verteidigungsplanung der NATO (GDP) im Verantwortungsbereich der Heeresgruppe Mitte von 1975 bis 1989.“ (= Buch 1) sowie „`Petting statt Pershing´. Papis Pioniere im Kalten Krieg der 1980er Jahre.“ (= Buch 2). Frage: Zu welchem der beiden letztgenannten Bücher greifen Sie instinktiv als erstes? Zu Buch 1 oder zu Buch 2? Die Antwort haben Sie sich bereits selbst gegeben, denn Sie schmökern gerade in „`Petting statt Pershing´…“.
Und genau ist die Absicht: Ein auf den ersten Blick zunächst wahrscheinlich strunzlangweiliges Thema so vorstellen, aufbereiten und erklären, dass der Leser mehr als nur die Überschrift liest und sich am Ende sagt: „Zum Glück bin ich damals in der Hugendubel-, thalia- oder weltbild-Filiale - oder im örtlichen Hof-Buchladen mit regionalen Autoren im Angebot - bei diesem Buch mit dem komischen Titel hängengeblieben. Die Sache, um die es hier geht, ist nämlich ernst, todernst sogar. Es geht um nichts weniger als um die Verteidigungsplanung der NATO und damit auch der Bundeswehr im Kalten Krieg in den 1980er Jahren des 20. Jahrhunderts, in unserem Fall vornehmlich in Süddeutschland. Die damaligen Einsatzpläne wären aus den Panzerschränken der Bataillone, Brigaden oder Divisionen geholt und aktiviert worden, wenn der (nicht mehr existente) “Warschauer Pakt„ unter der Führung der ebenfalls nicht mehr existenten Sowjetunion Westeuropa angegriffen hätte. So, wie Russland es mit der Ukraine im Februar 2022 getan hat. Nur hatte die Bundesrepublik Deutschland das Glück, ein Mitgliedstaat der NATO zu sein. Damit stand sie nicht allein gegen einen zahlenmäßig überlegenen System-Feind. Der Dritte Weltkrieg fand zum Glück jedoch nicht statt.
Vor einigen Jahren nun lief die gesetzliche Sperrfrist für den damals streng geheimen und deshalb bis vor kurzem im Militärarchiv (Freiburg) des Bundesarchivs noch unter Verschluss gehaltenen “General Defence Plan„, also die “scharfen„ Einsatzpläne für den Krieg in Europa (“V-Fall„, “Ernstfall„ oder andere, damals politisch korrekte Bezeichnungen) ab. Die hier erstmals veröffentlichen, vornehmlich den süddeutschen Raum betreffenden Abschnitte des GDP sind die Grundlage des vorliegenden Bandes. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Pioniertruppe des deutschen Heeres, die, gemeinsam mit den NATO-Bündnispartnern, naturgemäß einen entscheidenden Anteil an der Verteidigung der früheren Bundesrepublik und damit unserer Art zu leben gehabt hätte.
Und warum “Petting statt Pershing„? Das war eine der vielen, mal hochmoralischen, mal total bekloppten, insgesamt aber in der Regel von keinerlei sicherheitspolitischer Sachkenntnis getrübten Parolen bei Demonstrationen der alten Friedensbewegung der 1980er Jahre. So, wie “Keine neuen Atomwaffen bis die alten nicht verbraucht sind!"