Verwandtschaft und Mittelklasse in Ghana
Soziale Differenzierung und familiärer Zusammenhalt
von Andrea NollKlassen sind im gängigen sozialwissenschaftlichen Verständnis familienerfassende und generationenübergreifende Kollektive. In afrikanischen Ländern finden sich jedoch häufig „Mehrklassen“-Familien. Die vorliegende Studie, die auf Feldforschung in Ghana, in Liberia und New York beruht, untersucht die vielfältigen Strategien und Praktiken, mit denen die Mitglieder dreier großer ghanaischer Familienverbände mit sozialer Ungleichheit und Klassendifferenz umgehen. Die lokalen Akteure selbst verstehen Familien als größere, flexible, mehrere Generationen, zahlreiche Mitglieder und unterschiedliche Lebensweisen umfassende verwandtschaftliche Netzwerke.
Was bedeutet die Aneignung von Aufstiegschancen durch formale Bildung und entsprechende Berufe einiger weniger Familienmitglieder für diese Verwandtschaftsgruppen? Wie wird Familie neu definiert und Unterstützung ausgehandelt, die über die Kernfamilie hinausgeht? Welche Faktoren erleichtern oder erschweren die transgenerationelle Weitergabe des neuen Mittelklasse-Status? Um diese zentralen Fragen zu beantworten, untersucht die Autorin, wie die Familienmitglieder selbst Familiengeschichte erinnern und damit den Familienzusammenhalt (re)konstruieren. Wie Gesellschaftsgeschichte und Familiengeschichte ineinandergreifen und wie spezifische historische Konjunkturen Aufstiegsmöglichkeiten bieten oder sozialen Abstieg bewirken: Dies zu zeigen, ist ein zentrales Anliegen des Buchs.
Über die Autorin:
Andrea Noll ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Ethnologie und Afrikastudien an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Von 2012 bis 2015 war sie Stipendiatin am Graduiertenkolleg „Gender und Bildung“ an der Stiftung Universität Hildesheim und hat anschließend als Postdoktorandin an der Universität Hamburg gearbeitet. Sie hat Ethnologie, Kulturanthropologie und Romanische Philologie in Mainz und Brüssel studiert.