Die Geburt des Propheten Muhammad
Drei Dichtungen aus Mittelasien
von Sigrid Kleinmichel
Die Leser des Buches erhalten einen Einblick in die Muhammadverehrung einer Region, deren Kultur im Verhältnis zu anderen islamischen Regionen noch relativ selten im Blickpunkt der Forscher und der Öffentlichkeit Europas und Amerikas stand.
Die Geburt des Propheten Muhammad in einer für alle verständlichen Sprache zu preisen, wurde in Mittelasien Ende des 19. Jahrhunderts üblich. Die Arbeit stellt drei für diesen Zweck verfasste Dichtungen vor. Erstmals wird das viel gelesene „Mawludu ’n-nabi“ von Hilwati (1858 bis 1921) aus dem Ferghanatal mit der altosmanischen Dichtung, die sein Vorbild war - Süleyman Çelebis „Mevlid“ (15. Jahrhundert) - eingehend verglichen. Der Dichter Halis, dessen Dichtung bisher nur in zwei Handschriften bekannt ist, folgte, wie die Untersuchung ergeben hat, dem choresmtürkischen „Qisasu ’l-anbiya’“ (1310) von Rabdjuzi. Das kasachisch geschriebene „Na’t“ von Tïnïslïq-oghlï ist 1903 in Kasan gedruckt worden. Es zeigte sich, dass der Dichter Epenrhythmen und seine Kenntnisse arabischer religiöser Texte nutzte, um diesen Lobpreis auf Muhammad zu dichten.
Alle drei Texte werden in ihren sprachlichen Besonderheiten vorgestellt. Dadurch werden die bisher vorliegenden Arbeiten über das Tschaghataische (J. Eckmann, A. Bodrogligeti) und über das Kasachische ergänzt. Die poetischen Details der Dichtungen werden im Vergleich zu den Vorlagen und zwei weiteren osmanisch-türkischen Werken, die im 19. Jahrhundert oft in Kasan gedruckt wurden, - „Muhammadiyya“ (1449) von Yazicioglu und „Dala’il-i nubuwwat“ von Altiparmak (gest. 1623/24) - ausführlich beschrieben.
Aus den vorgeformten Abschnitten, Episoden und Erzählelementen wählen die Dichter, wie sich erwies, nach ihren eigenen religiösen und sozialen Vorstellungen und ihren künstlerischen Prinzipien aus. So sind die Schöpfung, d.h. die Entstehung der Welt aus dem zuerst von Gott geschaffenen Lichte Muhammads, die Geschichten vom Gelübde ’Abdu ’l-muttalibs, einen Sohn zu opfern, von Yahya (Johannes), vom kurzen Leben des Vaters von Muhammad und von der Geburt selbst mit ihren Wundern jedesmal anders gestaltet. Nicht alle Dichter wählen aus den Episoden um die Waisenschaft Muhammads, um die Reinigung der Brust des Propheten durch Engel und um die Himmelfahrt Elemente für ihre Dichtung aus. Zusätzliche Erzählungen, wie z.B. die über „mawlud“-Feiern, werden von einigen wenigen Dichtern in ihren Text integriert. Die kontinuierliche Bindung an die Originaltexte und die ins Einzelne gehende Analyse der Inhalte ermöglichen es, das Wesen der Bewunderung für den Propheten vorstellbar zu machen.