Politik und Handel zwischen Ming und Timuriden
China, Iran und Zentralasien im Spätmittelalter
von Ralph Kauz
Sinologie und islamkundlich orientierte Philologien - hier die Iranistik - verfolgen oft mit vergleichbaren Methoden vergleichbare Inhalte, werden aber eher ausnahmsweise in einer Studie zusammengefügt. Falls zu speziellen historischen Ereignissen Quellen beider Disziplinen vorhanden sind, bietet sich eine solche Synthese an, ist bei der kritischen Analyse der Texte streng genommen sogar vorgeschrieben, können doch nur so die dort erzählten Ereignisse mit denen, die die „Gegenseite“ überliefert, verglichen werden. Dennoch findet diese Zusammenschau nur selten statt.
Nach dem Zusammenbruch der mongolischen Dynastien in Iran (einschließlich des westlichen Teils Zentralasiens) und in China übernahmen die Timuriden (im Westen) respektive die Ming (in China) deren Erbe. Beide Dynastien waren in hohem Maße nach „außen“ orientiert - die Ming allerdings nur in den ersten Jahrzehnten ihrer Herrschaft. Die nach außen gerichteten Unternehmungen beider waren keineswegs immer friedlich - besonders gilt das natürlich für Timur selbst, aber auch die Ming führten offensive Feldzüge - etwa nach Vietnam - durch.
Ein Erbe der Mongolen, das in einer langen Tradition der Kontakte zwischen Ost- und Westasien steht, ist der enge Kontakt und Austausch, der sich zwischen Timuriden und Ming nach einigen Anfangsschwierigkeiten schon am Ende des 14. Jahrhunderts entwickelte. Das Potenzial dieser Interaktionen ist schwer abzuschätzen, aber bei beiden Dynastien wurden sie für wert gefunden, an nicht unwichtiger Stelle aufgezeichnet zu werden.
Die persischen und chinesischen Aufzeichnungen der genannten Periode bilden die Quellenbasis der hier vorliegenden Politik-, Wirtschafts- und Diplomatiegeschichte Asiens im Spätmittelalter. Nach einer Einführung in die außenpolitischen Systeme der Timuriden und der Ming wird der Verlauf der Interaktionen beider Reiche beschrieben und analysiert. Die methodische Grundlage bilden Werkzeuge der Politikwissenschaft. Das reziproke politische Interesse beider Reiche dauerte nur wenige Jahrzehnte an, wichtiger war das kommerzielle Interesse und dabei vor allem das der Timuriden an der chinesischen Seite. In dieser Arbeit wird den Fragen nachgegangen, worin das Interesse der beteiligten Parteien an diesen innerasiatischen Interaktionen bestand und warum sie letztlich scheiterten.