Ruodlieb
Faksimile-Ausgabe des Codex Latinus Monacensis 19486 der Bayerischen Staatsbibliothek München und der Fragmente von St. Florian
Das Ruodlieb-Epos gilt noch immer als eines der großen Rätsel der mittelalterlichen Literatur. Das Werk, vermutlich von einem Tegernseer Geistlichen im letzten Drittel des 11. Jahrhunderts geschrieben, lässt sich weder von seiner Sprache noch von seiner epischen Technik her ohne weiteres an die literarischen Traditionen seiner Epoche anschließen. Ein höchst eigenwilliges Latein zeugt von einer ungewöhnlichen dichterischen Gestaltungskraft; es gelingt dem Autor, ein derart anschaulich-buntes Bild von der Alltagswirklichkeit der Zeit zu vermitteln, dass man vom ersten großendeutschen Realisten gesprochen hat. Zugleich liegt hier der erste mittelalterliche Versuch vor, ein frei erfundenes weltliches Epos zu schaffen.
Eine genauere Bestimmung der literarhistorischen Position des Werkes macht außerordentliche Schwierigkeiten. Sie beginnen damit, dass das Werk nur fragmentarisch überliefert ist. Die erhaltenen Teile sind heute als Clm 19486 der Bayerischen Staatsbibliothek München wieder zusammengefasst. Die stark eingreifenden Korrekturen lassen vermuten, dass wir das Autograph des Dichters vor uns haben. Es scheint hier einmal möglich, einen mittelalterlichen Autor bei seiner Arbeit zu verfolgen.
Schon 1830 war ein Doppelblatt einer zweiten Ruodlieb-Handschrift in St. Florian entdeckt worden, die als unmittelbare Abschrift vom Original anzusehen ist. Das Blatt bildet eine wertvolle Ergänzung, da sein Text im wesentlichen in Lücken des Münchener Codex fällt. Damit stellte sich die Aufgabe, die unleserlich gewordenen oder durch Beschnitt verstümmelten Textteile zu ergänzen und die Fragmente zu ordnen sowie festzustellen, wo und in welchem Umfang mit Lücken zu rechnen ist.
In der Einleitung zur Faksimile-Ausgabe skizziert Prof. Haug die Forschungslage, begründet die Anordung der Fragment und führt in die literaturwissenschaftlichen Probleme ein. Band 2 enthält den kritischen Text von Herrn Prof. Vollmann.