Gewesene Türken
"Türkentaufen" im deutschsprachigen Kulturraum in der Frühen Neuzeit
von Stephan Theilig, Leyla CosanScheinbar vereinzelt findet sich in Kirchenbüchern des 16. bis 18. Jahrhunderts der Eintrag „gewesener Türke“, der auf eine mehr als 300-jährige Praxis im Heiligen Römischen Reich verweist: die sogenannten Türkentaufen. Im Zuge der kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Osmanischen Reich wurden insbesondere Kinder, Jugendliche, junge Frauen und Männer als menschliche Trophäen und Kriegsbeute heimgebracht. Diese „Beutetürken“ sahen sich mit einer für sie fremden Welt konfrontiert, mussten teilweise die traumatischen Gewalterfahrungen der „Türkenkriege“ verarbeiten, waren aus ihren familiären und sozialen Gefügen herausgerissen. Nach einer anfänglichen ersten Sprachaneignung und „Gesellschaftskunde“ galt die „Türkentaufe“ als Initiationsritual in die neue Gesellschaft.
Das vorliegende Buch ist eine interdisziplinäre Analyse des vermeintlichen Phänomens und stellt diese „Türkentaufen“ in ihrem historischen Kontext erstmals umfassend vor. Besonders stehen jedoch die Menschen und ihre Schicksale im Mittelpunkt. Exemplarisch werden dafür Lebensläufe von „Beutetürken“ vorgestellt und mehr als 400 (Zwangs-)Migranten erstmals tabellarisch erfasst.