"Arm ist der Geist Deutscher. Geheimerer Sinn."
Hölderlin: Eine Gegendarstellung
von Jacky PaulAusgehend von der Analyse einer breit gefächerten Auswahl repräsentativer Texte und unter Berücksichtigung der Handschriften und Erstdrucke zeigt die vorliegende Studie, dass trotz der beispiellosen Gründlichkeit der bisher geleisteten Editions- und Interpretationsarbeit manche Schätze immer noch in der Tiefe von Hölderlins Schriften verborgen liegen. Sie enthalten entscheidende Schlüssel zum 'geheimeren Sinn' seiner Dichtung und lüften den Schleier über einem Dichter, der sich - entgegen den gängigen Klischees der herkömmlichen Hölderlin-Rezeption - am Ende doch weder als liebeskranker Elegiker, noch als radikaler Jakobiner entpuppt, sondern als Lebenskünstler, der das 'fröhliche Leben' vorbehaltlos bejaht. Zugleich wird die Spätphase von Hölderlins Schaffen in der Originalität seines bislang kaum beachteten Ausdrucksreichtums rehabilitiert, indem Wortspiele, Anspielungen und dialogische Tendenzen aufgedeckt werden, die die heute noch weit verbreitete Umnachtungsthese als sehr fragwürdig erscheinen lassen. In diesem Licht erscheint beispielsweise das Spätgedicht Das fröhliche Leben als wohldurchdachtes, parodistisch-polemisches Gegenstück zu Goethes Wandrers Nachtlied/Ein Gleiches und widerspricht aufs heftigste der weit verbreiteten Lesart, dass Hölderlin schlicht 'närrisch' geworden sei. Im Gegenteil: Hölderlins Spätwerk artikuliert so kein schmerzliches Verlangen nach erlösender Grabesruhe, sondern ein glühendes Bekenntnis zum carpe diem, zur goldenen Mitte und zur täglichen Freude.