Kognitive Ambiguität
Kollektive und duale Umkonzeptualisierungen in Grammatik und Lexik romanischer Sprachen
von Markus IsingDie Wahrnehmung und kognitive Verarbeitung der Welt ist nicht immer eindeutig. Daher sehen wir z.B. in ein und demselben Vexierbild zwei Gestalten, und während Deutsche überwiegend von Lebensgefahr sprechen, wird im französischen Sprachraum derselbe Zustand mehrheitlich als Todesgefahr (danger de mort) konzeptualisiert. Die vorliegende Arbeit betrachtet diese „Ambiguität der Dinge“ am Beispiel von Kollektivität und Paarigkeit, wo ebenfalls zwei Konzeptualisierungen konkurrieren: steht bei einem Wald oder einem Ehepaar die Einheit des Ganzen oder aber die Vielheit der Bäume bzw. die Zweiheit der Personen im Vordergrund?
Die Ausdrucksschwankungen, die aus dieser Ambiguität resultieren, werden in der Arbeit systematisch beschrieben. Hierzu gehört
• einerseits die Modellierung von Kollektivität und Paarigkeit als universelles Problem, andererseits ein genauer Blick auf den einzelsprachlich variierenden Umgang mit diesem Problem (v.a. im Französischen, Italienischen und Spanischen).
• die qualitative und quantitative Analyse der einzelnen Phänomene in Grammatik (syntaktische Kongruenz, Nominaldetermination) und Lexik (Kollektivnomina).
• die Berücksichtigung der diachronen Perspektive: Die Arbeit mündet in eine Typologie von Sprachwandelmustern, in denen Kollektivität und Paarigkeit eine zentrale Rolle spielen.The perception and cognitive processing of the world is not always clear. That’s why we see two gestalts in a flip-flop image, and people differ in conceptualizing one and the same condition (e.g. German Lebensgefahr ‘risk of life’ vs. French danger de mort ‘risk of death’). The present study investigates this “ambiguity of things” in collectives and pairs, which also display two competing conceptualizations: is a forest rather a whole or a multiplicity of trees?
The study systematically describes the linguistic variations resulting from this ambiguity. It particularly consists in
• the modelling of collections and pairs as a universal problem that, however, is reflected differently in specific languages (such as French, Italian, and Spanish).
• the qualitative and quantitative analysis of relevant phenomena in grammar (syntactic concord, nominal determination) and lexicon (collective nouns).
• an emphasis on the diachronic perspective: the study leads to a typology of language change patterns that involve collective or dual stages.