Täterforschung nach Auschwitz John Steiners Untersuchungen
Nachlass eines Auschwitz-Überlebenden
John Michael Steiner war ein tschechisch-amerikanischer Soziologie-Professor. Er wurde 1925 in einer deutschsprachigen Familie in Prag geboren und, noch als Schüler, im Jahr 1942 inhaftiert und wie seine Eltern in Konzentrationslager gebracht: Theresienstadt, dann Ausch-witz-Birkenau und Außenlager Blechhammer. Seine drastischen Erfahrungsberichte:
Sklavenarbeit in der Fabrik für synthetisches Benzin Blechhammer
Todesmarsch nach Reichenbach und
Im Viehwaggon nach Dachau
stehen am Anfang dieses Buchs vor der ausführlichen Biographie. Als Auschwitz-Überlebender engagierte sich Steiner in der Täterforschung und kehrte deshalb nach seinem Studium in den USA nach Deutschland zurück. Seine Doktorarbeit an der Universität Freiburg führte ihn weiter zu zwei einzigartigen Forschungsarbeiten:
von 431 ehemaligen Angehörigen der Waffen-SS und SS sowie der Wehrmacht wurden Fragebogen ausgefüllt, um typische Eigenschaften autoritärer Persönlichkeiten erfassen und vergleichen zu können
von Angehörigen der Allgemeinen SS in Konzentrationslagern sowie von Offizieren der Waffen-SS liegen – abgesehen von persönlichen Gesprächen – eigens für Steiner geschriebene Lebensläufe vor. Unter diesen Lebensläufen ragen heraus: vier untere Dienstgrade in den KZ-Kommandos, verurteilt zu lebenslänglicher Haft, und sechs Offiziere der Waffen-SS, zwei waren Adjutanten von Hitler bzw. Himmler.
Steiner konnte seit 1962 eine Reihe von wissenschaftlichen Arbeiten publizieren, doch kam es aus mehreren Gründen nicht zu der schwierigen Analyse und zusammenfassenden Interpretation der Lebensläufe, wie sie hier unternommen wird. Das vorliegende Buch enthält die Lebensläufe und in gekürzter Form die wichtigsten Kapitel aus dem viel umfangreicheren Dokumentationsband. Für Steiner bedeutete der Rückblick auf die Konzentrationslager und den NS-Staat zugleich die Aufforderung zur Erziehungsreform: Wie könnten künftige Wiederholungen des Genozids durch eine reformier-te Erziehung verhindert werden – durch einen Ethikunterricht, dem es nicht allein auf abstraktes Wissen, sondern auf die praktische Übung im rücksichtsvollen Handeln ankommt. Diesem Thema „Erziehung nach Auschwitz“ gilt das letzte Kapitel.