Wir klagen an!
NSU-Tribunale als Praxis zwischen Kunst, Recht und Politik
von Madlyn SauerIm Mai 2017 fand das erste NSU-Tribunal parallel zum offiziellen Gerichtsverfahren am Schauspiel Köln statt – als eine Art Gegen-Prozess. Über drei Jahre hatte das Aktionsbündnis NSU-Komplex auflösen! gemeinsam mit den Betroffenen der NSU-Mord- und Anschlagsserie die Idee eines Tribunals entwickelt, das die versprochene »lückenlose Aufklärung« selbst in die Hand nimmt.
Weitere Tribunale zur Aufarbeitung rassistischer und neonazistischer Gewalt folgten 2018 in Mannheim sowie 2019 in Chemnitz und Zwickau, am Entstehungsort des NSU. Insgesamt wurden über 130 Täter*innen und Verantwortliche im NSU-Komplex öffentlich benannt und angeklagt. Die Geschichten der Betroffenen machten die Kontinuität des Rassismus sichtbar. Die NSU-Tribunale sind Ausdruck des antirassistischen Kampfes für eine solidarische »Gesellschaft der Vielen«.
„Wir klagen an!“ zeigt, dass die Einberufung alternativer Tribunale auf eine beachtliche Geschichte verweisen kann. Bezugnehmend auf die Russell-Tribunale, das Kongo-Tribunal von Milo Rau und das Frauen-Tribunal des japanischen „Violence Against Women in War Network“ werden die Besonderheiten und Innovationen der NSU-Tribunale herausgestellt.
Es handelt sich um die erste zusammenfassende Dokumentation zu den NSU-Tribunalen, welche Madlyn Sauer detailliert vorstellt, analysiert und mit anderen Beispielen der internationalen Tribunalpraxis vergleicht.