Die Alttürkenzeit in Mittel- und Zentralasien
Archäologische und historische Studien
von Sören Stark
Zwischen der Mitte des 6. und der Mitte des 8. Jahrhunderts prägte die Großreichsbildung der Türk bzw. ihrer Teilstaaten die Kulturgeschichte der Eurasischen Landmasse über weite Strecken. Während dieser als „Alttürkenzeit“ bezeichneten Periode erlebten die wechselseitigen politischen, kommerziellen und kulturellen Verflechtungen zwischen der pastoralnomadischen Welt Zentralasiens und ihren sesshaften Nachbarn in Iran, China und in den Oasen der Turanischen Senke bzw. des Tarimbeckens eine bemerkenswerte Blüte.
Im Fokus der vorliegenden Studie stehen dabei die politischen, sozialen und kulturellen Beziehungen zwischen den Türk-Nomaden und der sesshaften Oasenbevölkerung des Mawarannahr. Die hier in unmittelbar vorislamischer Zeit existierenden Kleinfürstentümer Sogdiens und der benachbarten Mikrooasen standen in regem politischen und kulturellen Austausch mit den offenen Steppen und den dortigen politischen Entitäten der Türk bzw. der Türgeš. Zugleich sind insbesondere Sogder für diesen Zeitraum nicht nur als Fernhändler und Kolonisten mannigfach entlang der Fernhandelsrouten zwischen der Krim und Nordchina nachgewiesen, sondern spielten auch an den Ordu der Türk Qayane eine wichtige Rolle als Handwerker, Beamte, Söldner, Missionare sowie als persönliche Gefolgsleute der nomadischen Reichseliten.
Ziel der Untersuchung ist eine diffenzierende Analyse dieses Wechselspiels auf Grundlage archäologischer, literarischer und epigraphischer Quellen. Hierzu unterzieht Sören Stark zunächst auf archäologischer Ebene die charakteristischen Elemente der materiellen Kultur des alttürkischen Kulturkreises einer kritischen Diskussion. Unter Einbeziehung der verfügbaren literarischen und epigraphischen Quellen betrachtet er sodann jene politischen und sozialen Strukturen und Prozesse genauer, innerhalb derer in alttürkischer Zeit Pastoralnomaden im Kontext der Gesellschaft und Kultur des sesshaften Mawarannahr bzw. sesshafte Mittelasiaten im Bereich pastoralnomadischer Staatlichkeit eine prominente Rolle spielten. Abschließend geht er der Frage nach, inwiefern sich diese Strukturen und Prozesse im archäologischen Material der sesshaften Kultursphäre des Mawarannahr abbilden, welchen Segmenten der Sach- und Geisteskultur und welchen sozialen Gruppen sie vornehmlich zugeordnet werden können.
Zur Beantwortung dieser Fragen lässt die vorliegende Studie gleichermaßen archäologische als auch Textquellen zu Wort kommen.