Die Aufstiegspsalmen des Herakleides
Untersuchungen zum Seelenaufstieg und zur Seelenmesse bei den Manichäern
von Siegfried Richter
Der Babylonier Mani (216 bis 277 n. Chr.) stiftete mit dem Manichäismus eine gnostische Weltreligion, die zum Erzfeind des Christentums wurde und sich über die gesamte antike Welt ausbreitete. Die ältesten Quellen entstammen dem Schriftfund von Medinet Madi (Fayyum), der im 4. Jahrhundert entstandene Papyrusbücher in koptischer Sprache überliefert hat.
Die Erlösung des Lichtes aus der Finsternis, die Befreiung der göttlichen Seele aus dem Gefängnis der Welt bildete in der spätantiken Gnosis eines der zentralen Themen. So ist für den Manichäer mit dem Tode die Trennung der beiden vermischten Substanzen vollzogen und die Seele damit bereit, zum Lichtland aufzusteigen. Aus einer Zusammenstellung verschiedener Quellen kann nicht nur der stufenweise Weg der Seele rekonstruiert werden, sondern auch die manichäische Seelenmesse. Darunter ist eine spezielle Form der Opferfeier zu verstehen, die im Namen eines Verstorbenen abgehalten wurde, um ihn vor der Seelenwanderung zu bewahren und den Aufstieg zu unterstützen. Der Bedeutung dieses Ereignisses angemessen sind eine große Zahl manichäischer Aufstiegspsalmen erhalten, die um das Thema des Todes und das Schicksal der Seele kreisen.
Eine besondere Stellung nimmt unter diesen eine Gruppe von zehn Psalmen ein, die dem Mani-Schüler Herakleides zugesprochen werden, und die das gesamte Liedgut bot, eine Seelenmesse gestalten zu können.