In den Weiten des Pazifik – Mikronesien
Ausgewählte Objekte aus den Sammlungen der Museen für Völkerkunde zu Leipzig und Dresden
von Barbara Treide
Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren die überkommenen Kulturen Mikronesiens auf vielfältige Weise aus den Bahnen ihrer traditionellen Lebensformen geworfen worden und kämpften auf einige Inselregionen um das nackte Überleben, wobei sie nicht selten unterlagen - man denke auch die späteren Atombombenversuche der USA auf dem Bikini-Atoll. Heute befinden sich die mikronesischen Kulturen erneut in Prozessen tiefgreifender Wandlungen. Gerade ihre materielle Seite ist bereits weitgehend durch Gegenstände der euro-amerikanischen Zivilisation ersetzt worden.
Soweit wir wissen, war das Dasein auf den mikronesischen Inseln vor der Zeit der Fremdbestimmung weitgehend von detaillierten Verhaltensnormen, der Wahrung der richtigen Proportionen und Relationen und vom Kanon des Maßhaltens in fast allen Lebensbereichen geprägt. Dabei zählte bei der Herstellung von Gegenständen nicht nur die sorgfältige Bearbeitung, sondern auch die Einhaltung aller in der Tradition vorgeschriebenen Schritte der Herstellung. Nicht richtig hergestellte Objekte gefährdeten denjenigen, der sie verfertigte, wie auch seine Verwandtschaft und den Nutzer. Bei einer stilistischen Betrachtung mikronesischer Gegenstände sollte man nicht übersehen, dass die wichtigsten Materialien nur mit hohem Zeitaufwand und großer Geduld zu gewinnen, aufzubereiten und zu verarbeiten waren. Viele mikronesische Objekte erreichten ihre volle Wirkung erst in Aktionen des Ritus und der großen Treffen aus vielerlei Anlässen. Sie waren eingebettet und integriert in Tänze, Gesänge und Rezitationen, und damit Bestandteile - wenn man so will - von Gesamtkunstwerken.
Auch in Mikronesien versucht man heute, das bestehende kulturelle Erbe zu bewahren und das Wissen über die kulturellen Wurzeln an die nächste Generation weiterzugeben.