Raimundus Lullus – Thomas le Myésier, Electorium Parvum seu Breviculum
Textband und Faksimile der Handschrift St. Peter perg. 92 der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe
Das seit 1807 in der Badischen Landesbibliothek aufbewahrte „Breviculum“ (Kurzfassung) gehört zu den interessantesten Handschriften des europäischen Mittelalters. Es ist eine Kompilation der Schriften Ramon Lulls (etwa 1232 bis 1316) mit zwölf ganzseitigen Miniaturen, die das Leben und die Lehre des berühmten katalanischen Philosophen, Theologen und Dichters bildlich darstellen. Zu verdanken ist sie Thomas Le Myésier (†1336), einem der treuesten und namhaftesten Schüler Lulls. Le Myésier war der Hofarzt Mahauts, der Gräfin von Artois und Burgund.
Die prachtvolle Miniaturenfolge gehört zu den originellsten und künstlerisch wertvollsten Zeugnissen der französischen Buchmalerei aus dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts. Die monumental gehaltenen, an den Stil der Wandmalerei erinnernden Miniaturen sind das Werk eines eigenständigen Künstlers, der sich keiner der bekannten Buchmalerwerkstätten zuordnen läßt.
Unter der großen Zahl der Handschriften, die das umfangreiche Werk Ramon Lulls überliefern, ist der Karlsruher Codex das Prunkstück. Ungewöhnlich ist die Verbindung einer so prächtigen, ausdrucksstarken Bildfolge mit philosophischen Texten. Ungewöhnlich ist auch die Anordnung der erklärenden Texte auf den Miniaturen. Ähnlich wie in Comics erscheinen sie in Spruchbändern und in Sprechblasen. Nicht zuletzt stellt diese Handschrift auch ein einmaliges Dokument für den von Le Myésier begründeten Lullismus dar.