Der Bubenrichter von Mittenwald
Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt
von Maximilian Schmidt / WaldschmidtDer Bubenrichter von Mittenwald
Maximilian Schmidt genannt Waldschmidt
I.
Mittenwald! Alle nur denkbaren Reize einer Hochgebirgsgegend vereinigen
sich in diesem Namen. Auf grüner, von der schnellflutigen Isar durchrauschten
Ebene in seiner unverfälschten, altehrwürdigen Bauweise gelegen, ist es fast
rings umgeben von bewaldeten Vorbergen mit darüber emporragenden Felsengraten
und Zinken, westlich vom schroffen Wetterstein, östlich von den steilen,
bis zum Thale reichenden Abstürzen des Karwendels, südlich von den weißen
Bergrippen des Solsteins und den himmelanstrebenden Reither- und Arnspitzen.
Mittel- und Hochgebirge gruppieren sich in wunderbarer Harmonie. Alles,
was die kühnste Phantasie träumen mag von Naturschönheit, es vereinigt sich
hier, es schmilzt zusammen zu einem großen, wunderbaren Akkord, es ist ein
Meisterstück des großen Bildners. Das menschliche Herz wird eigentümlich ergriffen
von der gewaltigen Macht dieser herrlichen Schöpfung. Wenn da im
Abendrot die Felsengipfel glühen und lodern und über die Waldgebirge duftige
violette Schleier sich breiten, wenn das riesige Kreuz von der Karwendelspitze
herniederglitzert ins grüne Thal, darüber die rosigen Wölkchen am lichtblauen
Firmamente ziehen und allüberall die hellen Jodler fröhlicher Menschen ertönen,
ja, dann erschließt sich das Herz gern all den beseligenden Eindrücken;
Schmerz und Sorge verstummen, es zieht der Friede ein, sei es auch nur für
eine Stunde, für eine kleine Weile.