Die MILF-Mädchenrechnung
Wie sich Frauen heute zwischen Fuckability-Zwang und Kinderstress aufreiben
von Katja GrachVon »Alles Schlampen außer Mutti« zu »Alles Schlampen, auch Mutti« – die Vereinbarkeitsdebatte hat eine neue Kategorie. Wollen wir das?
In den letzten tausend Jahren hat sich nicht viel an den Rollenbildern von Frauen geändert. Die Einteilung in Heilige und Hure gibt es nach wie vor. Die Sexualität von Frauen wird noch immer von kulturellen und wirtschaftlichen Systemen bewertet. Mutterschaft ebenfalls. So weit, so bekannt.
Spannend ist allerdings, dass sich die Hure zur Heiligen entwickelt hat. Wer nicht sexy oder für ein männliches Hetero-Auge »fuckable« ist, kann gleich wieder einpacken. Prüde, verklemmt oder gar unrasiert und ungeschminkt zu sein gleicht einem Frevel. Stattdessen gilt, wie Carolin Kebekus formuliert hat: »Fickbar bleiben – von 15 bis 75.« Und davon sind nun auch nicht mehr die Mütter ausgenommen.
»MILF« (Mother I’d like to fuck) heißt der neue Status, den es zu erreichen gilt. MILF ist seit mehr als 10 Jahren eine anerkannte Pornokategorie, deren Bekanntheitsgrad längst in der Popkultur Wurzeln geschlagen hat.
Dieses Buch unternimmt einen Streifzug quer durch die Kulturgeschichte der bösen Frauen und Mädchen und zeigt auf, wie wir bei der MILF als neue eierlegende Wollmilchsau landen konnten. Es geht um die Dreifaltigkeit von Porno, Popkultur und Realität – wie diese miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig beeinflussen. Es geht um die Rolle von Kirche, Politik und Wirtschaft, wenn wir uns bewusst oder unbewusst für Yogapants und Gespräche über Kinderkacke entscheiden.
Im Zeitalter der Selbstverwirklichung und -optimierung gehen wir auch der Frage nach, ob es schlechten Sex im 21. Jahrhundert überhaupt noch geben darf, ob Frauenkörper erst dann schwabbeln dürfen, wenn Dove die nächste Video-Kampagne rausbringt und ob ich meine Achselhaare auch schon zeigen darf, wenn sie noch nicht wieder en vogue sind. Vor allem aber geht es um die Spielräume zwischen Scheiterhaufen, Freiheit und »Ich muss gar nichts«.