Equines Thrombozytenlysat als potenzförderndes Zellkultursupplement in der regenerativen Veterinärmedizin
von Alina HagenAlina Hagen
Equines Thrombozytenlysat als potenzförderndes Zellkultursupplement in der regenerativen Veterinärmedizin
Klinik für Pferde (Chirurgie, Orthopädie), Justus-Liebig-Universität Gießen
Eingereicht im Juni 2023
132 Seiten, 6 Abbildungen, 2 Tabellen, 2 Publikationen, 397 Literaturangaben
Schlüsselwörter: Mesenchymale Stromazellen (MSC), Thrombozytenkonzentrat, Thrombozytenlysat, fetales bovines Serum, Pferd, Zellkultur, Zellfitness, funktionelle Eigenschaften, Co-Kultivierung
Einleitung – Die regenerative Medizin und die klinische Anwendung von multipotenten mesenchymalen Stromazellen (MSC) haben in der Veterinärmedizin enorm an Bedeutung gewonnen. Um eine ausreichende Anzahl der MSC für eine therapeutische Anwendung zu erhalten, ist ihre In-vitro-Kultivierung erforderlich, da die MSC in ihrem Ursprungsgewebe nur in einer geringen Menge vorhanden sind. Ein kritischer Aspekt bei der In-vitro-Kultivierung der MSC ist das Zellkulturmedium, welches die Qualität und Wirksamkeit des zellbasierten Therapeutikums stark beeinflussen kann. Derzeit ist das kritisch diskutierte fetale bovine Serum (FBS) der Goldstandard als Basal-mediumsupplement für die In-vitro-Kultivierung von tierischen MSC. Es zeichnet sich jedoch ein Trend zur Verwendung von xenofreien Zellkultursupplementen ab und die European Medicines Agency (EMA) und die International Society for Cell and Gene Therapy (ISCT) empfehlen den Ersatz von FBS. Während einige Alternativen untersucht wurden, hat die Verwendung von humanem Thrombozytenlysat (hPL) in der Humanmedizin vielversprechende Ergebnisse gezeigt.
Ziele – Das Ziel der ersten Studie war die Entwicklung eines skalierbaren Protokolls für die Herstellung von equinem Thrombozytenlysat (ePL) in Anlehnung an das hPL-Produktionsprotokoll und der Vergleich des hergestellten ePL mit FBS als Zellkultur-supplement in der Kultivierung von equinen MSC (eMSC) im Hinblick auf die Erhaltung ihrer Basischarakteristika. Die Potenz und die funktionellen Eigenschaften der MSC sind stark von verschiedenen Umweltfaktoren abhängig. Daher zielte die zweite Studie darauf ab den Einfluss des ePL auf die Zellfitness und das pro-angiogene Potenzial der eMSC zu untersuchen.
Material und Methoden – In der ersten In-vitro-Studie wurde das Vollblut von 20 gesunden Pferden in Blutbeuteln entnommen. Nach einem Screening des Vollblutes auf Erregerkontamination wurde das Blut von 19 Pferden in die Studie aufgenommen. Mithilfe der Buffy-Coat-Methode wurden die Thrombozytenkonzentrate aus dem Vollblut hergestellt und anschließend durch Gefrier-/Auftauzyklen lysiert. Während des Herstellungsprozesses wurden die Thrombozyten-, Leukozyten-, Platelet-derived growth factor-BB (PDGF-BB)- und Transforming growth factor-1 (TGF-1)-Konzentrationen bestimmt. Nach der Herstellung wurde das finale, gepoolte ePL als Zellkultursupplement für die Kultivierung von eMSC aus Fettgewebe von n = 4 Spenderpferden im Vergleich zu FBS bewertet. Die Generationszeit, der Immunophänotyp und das tripotente Differenzierungspotenzial der eMSC wurden unter Verwendung der drei verschiedenen Mediensupplemente 10 % FBS, 10 % ePL und 2,5 % ePL untersucht. In der zweiten Studie wurde analysiert, ob die Zellfitness und das pro-angiogene Potenzial der eMSC aus Fettgewebe durch ePL vergleichbar unterstützt werden wie durch FBS-Medium. Zu diesem Zweck wurden eMSC von n = 5 Spenderpferden, die in 10 % FBS, 10 % ePL oder 2,5 % ePL-Medium kultiviert wurden, hinsichtlich ihres apoptotischen, nekrotischen und seneszenten Zustands, ihrer genetischen Stabilität und ihres pro-angiogenen Potenzials untersucht. Für die Analyse des pro-angiogenen Potenzials in Co-Kultur wurden equine Endothelzellen aus equinen Nabelschnurarterien mit Hilfe des Digestionsverfahrens gewonnen und ein Arterien-Ring-Assay auf der Grundlage von Arterien-Ringen, die ebenfalls aus diesen Nabelschnurarterien gewonnen wurden, durchgeführt. Für die Co-Kultivierung von eMSC und equinen Endothelzellen wurde ein indirektes Transwell-System verwendet. Das pro-angiogene Potenzial der eMSC wurde durch eine Messung der vascular endothelial growth factor-A (VEGF-A)-Konzentration in den verschiedenen Zellkulturüberständen nach der Co-Kultivierung sowie durch die Untersuchung der Genexpression von Faktoren, die mit der Angiogenese verbunden sind, mittels qRT-PCR, bewertet. Darüber hinaus wurde eine morphologische Analyse der Zellen durchgeführt, für welche die eMSC mit einer Phalloidin-Färbung und die Endothelzellen sowohl im Arterien-Ring-Assay als auch nach der Co-Kultivierung mit eMSC mit Lektin angefärbt wurden. Die statistische Auswertung erfolgte mit IBM SPSS und Graphpad Software und basierte auf nicht-parametrischen Testmethoden.
Ergebnisse – In der Studie 1 wurde erstmals ein Buffy-Coat-basiertes Protokoll für die ePL-Produktion evaluiert. Dabei wurde eine 4,2-fach erhöhte Thrombozytenkonzen-tration (p < 0,05) und eine 0.4-fach reduzierte Leukozytenkonzentration (p < 0,05) in den Thrombozytenkonzentraten im Vergleich zum Vollblut beobachtet. Zudem zeigte sich eine Aufkonzentrierung der Wachstumsfaktoren PDGF-BB und TGF-1 in den Thrombozytenkonzentraten (p < 0,05 für PDGF-BB und p < 0,01 für TGF-1) sowie in den Thrombozytenlysaten (p < 0,01 für PDGF-BB und p < 0,05 für TGF-1). Das Alter der Spender korrelierte negativ mit der Thrombozytenkonzentration (p < 0,01 und r = –0,582) sowie mit den PDGF-BB- (p < 0,01 und r = –0,627) und TGF-1- (p < 0,05 und r = –0,483) Konzentrationen in den Thrombozytenkonzentraten. Bei der Beurteilung von ePL als Zellkultursupplement förderte das ePL die Proliferation und Basis-charakteristika der eMSC in einer ähnlichen Art und Weise wie das FBS, wenn es in der gleichen Konzentration (10 %) verwendet wurde. Im Gegensatz dazu wiesen die eMSC bei der Kultivierung mit 2,5 % ePL-Medium eine inkonstante Proliferation oder sogar einen vollständigen Verlust der Proliferation auf, was sich in einer signifikant verlängerten Generationszeit und einer veränderten Konfluenz darstellte (p < 0,05). In der Studie 2 wurde demonstriert, dass eMSC, die mit 2,5 % ePL-Medium kultiviert wurden, eine höhere Apoptose aufwiesen (p < 0,05) als eMSC nach einer Kultivierung in 10 % ePL-Medium. Die Zellfitness der eMSC, die mit 10 % ePL-Medium kultiviert wurden, war vergleichbar mit der von eMSC mit FBS-Medium. Interessanterweise zeigten die eMSC eine höhere genetische Stabilität nach einer Kultivierung mit 10 % ePL-Medium. Etwa 8 % der eMSC mit FBS-Medium wiesen nicht-klonale Chromo-somenaberrationen auf und nur 4,8 % der eMSC, die mit 10 % ePL-Medium kultiviert wurden. Klonale Aberrationen der eMSC wurden weder mit 10 % FBS- noch mit 10 % ePL-Medium beobachtet. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass 10 % ePL die pro-angiogenen Eigenschaften der eMSC unterstützt, da bei der Kultivierung mit 10 % ePL-Medium eine deutlich höhere VEGF-A-Konzentration (p < 0,05) freigesetzt wurde und der VEGF-Rezeptor 2 (VEGFR2) vermehrt exprimiert wurde als mit FBS-Medium (p < 0,05). Außerdem förderten die eMSC und das ePL das Wachstum von gefäßähnlichen Strukturen in zwei der Co-Kulturproben und auch im Arterien-Ring-Assay war die Migration und Proliferation der equinen Endothelzellen mit 10 % ePL-Medium höher als mit FBS-Medium.
Schlussfolgerung – Aufgrund der Ergebnisse in der vorliegenden Arbeit ist das ePL eine vielversprechende Alternative zum FBS als Zellkultursupplement für die In-vitro- Kultivierung von eMSC. In diesem Zusammenhang hat sich die Buffy-Coat-Methode als nützliches Verfahren zur Herstellung eines standardisierten ePL in großem Maßstab erwiesen. Es sollten allerdings vorzugsweise junge Spenderpferde ausgewählt werden, um die maximal mögliche Thrombozyten- und Wachstumsfaktor-konzentration zu erhalten. Das ePL unterstützte die Proliferation und die Basischarakteristika der eMSC, wenn es in der gleichen Konzentration wie FBS (10 %) verwendet wurde. Darüber hinaus förderte das ePL die Zellfitness der eMSC vergleichbar zum FBS und die funktionellen Eigenschaften der eMSC wurden durch ePL positiv beeinflusst, was sich in den verbesserten pro-angiogenen Eigenschaften darstellte. Aufgrund dieser Ergebnisse kann das ePL als Zellkultursupplement für die Kultivierung von eMSC empfohlen werden. Jedoch sind weitere Studien notwendig, um die detaillierte Zusammensetzung des ePL zu analysieren. Aufgrund des positiven Einflusses auf die pro-angiogene Wirkung von eMSC sollten auch In-vivo-Studien im Bereich der Wundheilung durchgeführt werden, um ePL für den therapeutischen Einsatz allein oder in Kombination mit eMSC zu etablieren.Alina Hagen
Equine platelet lysate as synergistically active cell culture supplement in veterinary regenerative medicine
Equine Clinic (Surgery, Orthopedics), Justus-Liebig-University Giessen
Submitted in June 2023
132 pages, 6 figures, 2 tables, 2 publications, 397 references
Keywords: mesenchymal stromal cells (MSC), platelet concentrate, platelet lysate, fetal bovine serum, equine, cell culture, cell fitness, functional properties, co-cultivation
Introduction – Regenerative medicine and the clinical application of multipotent mesenchymal stromal cells (MSC) have gained tremendous importance in veterinary medicine. In order to obtain a sufficient number of MSC for a therapeutic application, their in vitro cultivation is required, as there is only a small amount of MSC in their tissue of origin. One critical aspect in the in vitro cultivation of MSC is the cell culture medium, which may strongly impact the quality and efficacy of the cell-based therapeutic. Currently, the critically discussed fetal bovine serum (FBS) is the gold standard as a basal medium supplement for the in vitro cultivation of MSC in animal species. However, the trend towards the use of xeno-free culture supplements is emerging, and replacement of FBS is recommended by the European Medicines Agency (EMA) and the International Society for Cell and Gene Therapy (ISCT). While several alternatives have been investigated, the use of human platelet lysate (hPL) in human medicine has shown promising results.
Aims – The aim of the first study was to establish a scalable protocol for equine platelet lysate (ePL) production based on hPL production protocols and to compare the obtained ePL with FBS as cell culture supplement in equine MSC (eMSC) culture regarding the preservation of their basic characteristics. The potency and functional properties of MSC are strongly dependent on varying environmental factors. Therefore, the second study aimed to investigate the influence of ePL on cell fitness and pro-angiogenic potency of eMSC.
Materials and methods – In the first in vitro study, whole blood from 20 healthy horses was harvested into blood collection bags. After screening the whole blood for pathogen contamination, the blood of 19 horses was included in the study. The platelet concentrates were prepared from whole blood using the buffy coat method and subsequently lysed by freeze/thaw cycles. During the manufacturing process, platelet, leukocyte, platelet-derived growth factor-BB (PDGF-BB) and transforming growth factor-1 (TGF-1) concentrations were determined. After preparation, the final pooled ePL was evaluated as a cell culture supplement for cultivation of adipose-derived eMSC of n = 4 donor horses, in comparison with FBS. The generation time, immunophenotype and trilineage differentiation potential of eMSC were investigated using the three different media supplements 10 % FBS, 10 % ePL and 2,5 % ePL. The second study analyzed if the cell fitness and pro-angiogenic potential of adipose-derived eMSC is comparably supported by ePL as by FBS medium. For this purpose, eMSC from n = 5 donor horses cultured in 10 % FBS, 10 % ePL or 2,5 % ePL medium were evaluated in terms of their apoptotic, necrotic and senescent state, genetic stability and pro-angiogenic potency. For analysis of pro-angiogenic potential in co-culture, equine endothelial cells were obtained from equine umbilical arteries using a digestion procedure. Additionally, an arterial ring assay was initiated based on arterial rings extracted from the umbilical arteries. An indirect transwell system was used for the co-cultivation of eMSC and equine endothelial cells. The pro-angiogenic potential of the eMSC was assessed by measuring the vascular endothelial growth factor-A (VEGF-A) concentration of the different cell culture supernatants after co-cultivation and by examining the gene expression of the angiogenesis-related factors using qRT-PCR. In addition, morphological analysis of the cells was performed after staining the eMSC with Phalloidin and the endothelial cells with lectin both in the arterial ring assay and after co-cultivation with eMSC. Statistical analysis was performed using IBM SPSS and GraphPad based on non-parametric tests.
Results – The study 1 provides the first evaluation of a buffy-coat-based protocol for ePL production. In this process, a 4.2-fold increased platelet concentration (p < 0.05) and a 0.4-fold decreased leukocyte concentration (p < 0.05) was observed in the platelet concentrates in comparison to the whole blood. In addition, the concentrations of the growth factors PDGF-BB and TGF-1 were increased in the platelet concentrates (p < 0.05 for PDGF-BB and p < 0.01 for TGF-1) as well as in the platelet lysates (p < 0.01 for PDGF-BB and p < 0.05 for TGF-1). The age of the donors correlated negatively with the platelet counts in the platelet concentrates (p < 0.01 and r = –0.582) as well as with the PDGF-BB (p < 0.01 an r = –0.627) and TGF-1 (p < 0.05 and r = –0.483) concentrations in the concentrates. Evaluating the ePL as a cell culture supplement, it supported eMSC proliferation and basic characteristics similar to FBS when used in the same concentration (10 %). In contrast, during cultivation with 2.5 % ePL medium, the eMSC exhibited inconstant proliferation or even a complete loss of proliferation, as evidenced by a significantly prolonged generation time and altered confluency (p < 0.05). The study 2 demonstrated that eMSC cultured with 2,5 % ePL medium exhibited higher apoptosis levels than eMSC after cultivation in 10 % ePL medium (p < 0.05). The cell fitness of eMSC cultured with 10 % ePL medium was comparable to that of eMSC cultivated with FBS medium. Interestingly, the eMSC showed a higher genetic stability after cultivation with 10 % ePL medium. Roughly 8 % of the eMSC with FBS medium showed non-clonal chromosomal aberrations and only 4.8 % of the eMSC cultivated with 10 % ePL medium. Clonal aberrations of the eMSC were neither observed in 10 % FBS nor in 10 % ePL medium. In addition, it was demonstrated that ePL supported the pro-angiogenic properties of eMSC, because a significantly higher concentration of VEGF-A was released during cultivation with 10 % ePL medium (p < 0.05) and the VEGF-receptor 2 (VEGFR2) expression was increased as compared to FBS medium. In addition, the eMSC and ePL promoted the growth of vessel-like structures in two of the co-cultured samples. Furthermore, the migration and proliferation of equine endothelial cells in the arterial-ring assay was higher with 10 % ePL than with FBS medium.
Conclusion – Based on the results in the present work, the ePL is a promising alternative to FBS as a cell culture supplement for in vitro cultivation of eMSC. In this regard, the buffy coat method has proven to be a useful procedure to produce a standardized ePL in large scales. However, preferably young donor horses should be selected to obtain the highest possible platelet and growth factor concentrations. The ePL supported the proliferation and basic characteristics of eMSC when used at the same concentration as FBS (10 %). In addition, ePL promoted the cell fitness of eMSC comparably to FBS, and the functional properties of eMSC were positively affected by ePL, as evidenced by the improved pro-angiogenic properties. Based on these results, the ePL can be recommended as a cell culture supplement for eMSC cultivation. However, further studies on the detailed composition of ePL are necessary and, due to the positive influence on the pro-angiogenic effect of eMSC, in vivo studies in the field of wound healing should also be conducted to establish ePL for therapeutic use alone or in combination with eMSC.