„Und die Vernunft war bei Gott“
Plädoyer für einen deistischen Jesuanismus als glaubwürdige Alternative zur kirchlichen Lehre des Christentums
von Thomas HerfurthVersteht sich das Christentum traditionell als Offenbarungsreligion – als eine Religion also, die sich durch »Wunder« konstituiert –, so möchte diese Abhandlung die christliche Religion für die Zukunft bewahren, indem sie den Glauben an Gott allein durch vernünftiges Denken zu begründen versucht. Die Beseitigung aller mythischen und contra-rationalen Elemente aus den Glaubensinhalten scheint dem Autor notwendig zu sein, wenn Religion im Zeitalter der Naturwissenschaften überhaupt noch ernst genommen werden will.
Zuerst muss deshalb philosophisch geklärt werden, inwiefern es möglich ist, den Glauben an einen Gott rational zu begründen. Dazu werden Versuche aus der Philosophiegeschichte vorgestellt und analysiert, die sich vor allem im Zeitalter der Aufklärung unter den Namen »natürliche Religion« und »Deismus« finden lassen. Als Beispiele für deistische Denker werden u. a. Herbert von Cherbury, Matthew Tindal, Voltaire, Rousseau, Hermann Samuel Reimarus, Thomas Paine und schließlich Immanuel Kant vorgestellt.
In Auseinandersetzung mit diesen Denkern, insbesondere mit Kant, wird ein moderner Deismus entworfen, der nicht mehr die Methode der Physikotheologie verwendet, durch die man noch glaubte, Gott mit der Vernunft beweisen zu können, sondern – mit Kant – Gott als Postulat der reinen Vernunft begreift.
Es lässt sich dabei zeigen, dass ein Glaube, dessen philosophisch-theologisches Gerüst allein durch die Vernunft erstellt wurde und der sich zugleich nur auf historisch-kritisch abgesicherte Informationen über Jesus von Nazareth stützt, die Möglichkeit bietet, das tradierte kirchliche Christentum erneut zu reformieren und mit den Ergebnissen der heutigen Wissenschaften und den lebensweltlichen Grunderfahrungen der meisten Menschen kompatibel zu machen.
Man kann also durchaus ein frommer Mensch sein, auch wenn man nicht »an« Jesus glaubt, nicht an die Interpretation seines Sterbens als Opfertod und nicht an seine leibliche Auferstehung in dieser Welt, sondern stattdessen – »wie« Jesus – an den einen gerechten und gnädigen Gott, der sich am Ende wie ein Vater über alle Menschen erbarmt.