Blutsauger
von Julian RadlmaierAugust 1928. Der Fabrikarbeiter Ljowuschka wird als Trotzki-Darsteller für den Film Oktober des Regisseurs Eisenstein gecastet. Doch seine Träume vom Künstlerleben platzen, als der echte Trotzki in Ungnade fällt und Ljowuschka aus dem Film herausgeschnitten wird. Der romantische Träumer flieht aus der kommunistischen Heimat. Er will sein Glück in Hollywood versuchen. Noch steckt er allerdings in einem mondänen deutschen Ostseebad fest, wo er als verfolgter Aristokrat verkleidet das Geld für die Überfahrt nach New York zusammenstehlen will. Bei seinen Streifzügen lernt er die junge Fabrikbesitzerin Octavia Flambow-Jansen kennen. Eine sommerliche Romanze bahnt sich an – dumm nur, dass in der Gegend Vampire ihr Unwesen treiben.
Julian Radlmaiers preisgekröntes Drehbuch entwickelt aus der randständigen Marx’schen Metapher vom vampirischen Kapital mit großer Fabulierlust eine filmische Erzählung. Sein Text erkundet das Scheitern der Revolution und das Heraufziehen des Faschismus als Affektgeschehen, auf das politische Kunst Antworten sucht – aber schwerlich findet. In über fünfzig Zeichnungen entwirft der Comickünstler Jan Bachmann hiervon ausgehend Szenen von poetischem Detailsinn wie wuchtigem Überblick. Sulgi Lies begleitender Essay diskutiert die hundertjährige Geschichte des deutschen Vampirfilms, die 1922 mit F. W. Murnaus NOSFERATU beginnt und zu keinem Ende kommt. So nimmt das Buch die Fäden der Verhandlung einer zeitgenössischen politischen Ästhetik auf, die die Arbeiten der Beteiligten auszeichnet, und spinnt sie erfindungsreich weiter.